Stereobild

Halbbilder fusionieren zum Raumbild

Ein Foto ist ein zweidimensionales Medium, das räumliche Informationen als Zentralprojektion aufzeichnet. Die mathematisch korrekte Zentralprojektion ist seit Mitte des 15. Jahrhunderts nachgewiesen. Als Vorlage der Perspektive diente Malern die Camera obscura. Eine dauerhafte Aufzeichnung der Bilder wurde aber erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung fotografischer Verfahren möglich. Sir Charles Wheastone gelang etwa zu gleicher Zeit mit seinem Stereoskop genannten Apparat der Nachweis, dass räumliches Sehen beim Menschen durch die leicht unterschiedlichen Blickwinkel des rechten und des linken Auges begründet ist.

1838 fand Wheatstone mit seinem Stereoskop die Ursachen des räumlichen Sehens heraus

Man kann also mittels zwei Bildern von unterschiedlichen Standpunkten aus aufgenommen, einen künstlichen Raumeindruck hervorrufen. Unter dem Begriff Stereoskopie versteht man die Gesamtheit der Verfahren zur Aufnahme und Wiedergabe von raumgerechten Bildern. Ebenso hat sich die Bezeichnung 3D für Fotografie und Film durchgesetzt, konkurriert aber heute mit Begriffen der Computergrafik. Eine 3D-Computergrafik ist üblicherweise eine Abbildung des intern gespeicherten Datenmodells einer 3D-Szene. Man spricht auch von einem Rendering. Hingegen besteht eine 3D-Fotografie aber aus zwei Bildern, dem linken und rechten Halbbild eines Bildpaares, das bei binokularer Betrachtung als Raumbild erscheint.

Die freiäugige Betrachtung eines Raumbildes erfolgt Mit dem Parallelblick oder Kreuzblick, bei vertauschten Halbbildern. Man schaut durch die Abbildungsfläche hindurch oder schielt. Mit etwas Übung und der Anleitung aus dem Buch gelingt das jedem.

Phänomene des Raumbildes

Die zeitgleiche Aufnahme zweier parallaktisch unterschiedlicher und annähernd inhaltsgleicher Halbbilder verlangt dem Fotografen zusätzliche Fertigkeiten ab. Die Betrachtung kann freiäugig erfolgen. In in aller Regel ist aber eine besondere Einrichtung erforderlich. Daher muss man sich mit der Rechtfertigung und Charakteristik eines Raumbildes auseinandersetzen.
In monotonen Motiven tritt die Oberflächenstruktur der Objekte besser in Erscheinung. Bei Mineraliensammlern ist daher die 3D-Fotografie übliche Praxis. Auch ist dort das stereoskopische Glitzern gefragt. Die Interpretation einer extrem komplexen Szene wird durch die räumliche Betrachtung wesentlich erleichtert. Andere Phänomene der Raumbildbetrachtung sind das Erkennen verdeckter Strukturen, die Akzeptanz nicht fokussierter Halbbilder oder auch das Auffüllen leerer Bildbereiche. Es ist hinreichend, wenn nur ein Halbbild die richtige Fokussierung aufweist. Das zweite Bild kann dann mit Unschärfe daher kommen. Das Gehirn bevorzugt beim Verschmelzungseffekt der Bilder gewisse Daten. Ein Raumbild enthält zusätzlich auch geometrische Informationen Hier dargestellt durch die Halbbilder und die Tiefenmatrix, berechnet aus dem Stereobildpaar. Helle Bildbereiche sind näher zur Kamera als dunkle Bereiche.

Tiefeninformation im Raumbild

Die freiäugige Betrachtung eines Raumbildes erfolgt Mit dem Parallelblick oder Kreuzblick, bei vertauschten Halbbildern. Man schaut durch die Abbildungsfläche hindurch oder schielt. Mit etwas Übung und der Anleitung aus dem Buch gelingt das jedem.
Raumbild für den Kreuzblick

Basisabstand

Eine besondere Bedeutung bei der Raumbildaufnahme bekommt die Basislänge, das ist der Abstand der Objektive der jeweiligen Halbbilder. Der richtet sich nach Brennweite und Aufnahmeentfernung. Im Makrobereich von einigen Millimetern. Im Normalbereich entspricht die Basislänge dem Augenabstand und bei Fernaufnahmen können es auch etliche Meter sein. Bei einer konventionellen Stereosucherkamera hat man keine Wahl. Bei Aufnahmen mit einer Monokamera gilt als Faustregel 1/30 zur Nahentfernung des Objekts.

Bei entfernten Objekten ist die Erweiterung des Basisabstandes gegenüber dem normalen Augenabstand notwendig. Dabei bedarf es nicht etwa einer extrem langen Stereoschiene. Mit digitaler Bildbearbeitung werden die Aufnahmen rektifiziert (auf den Normalfall umgerechnet). Hier eine Aufnahme von der Plattform eines Aussichtsturmes. Bei gleicher Aufnahmehöhe kann man hinreichend parallele Aufnahmerichtungen erzielen. Alle Objekte liegen hinter dem Scheinfenster, daher erscheint eine große Parallaxe im Bereich des Kirchturms, die im Druck nur schwer zu trennen ist. Bildfolgen kann man auch während der Fahrt mit der Eisenbahn oder Schiffen als Video aufnehmen. Eine geeignetes Bildpaar wird sich finden.

Im Hintergrund die St. Jakobs Kirche in Rothenburg ob der Tauber

Historische Apparate

Wesentlich zur Verbreitung der Stereofotografie hat Jules Richard (*1948 – †1930) beigetragen. Um die Jahrhundertwende baute er Stereokameras, mit denen man auch noch heute fotografieren kann.
Für das kleinere Budget konstruierte Jules Richard das Glyphoscope, eine Kombination aus 3D-Betrachter und Kamerateil mit Metallkassetten für Glasplatten. Der Körper des Stereoskops besteht aus einem festen Bakelit während der Kamerateil aus Messing gefertigt ist. Zwei Achromate 60 mm liefern die Bilder bei Fixfokus und fester Belichtungszeit des Guillotine-Verschlusses von 1/50 Sekunde. Die Motiveinstellung kann über den Durchsichtssucher oder die Mattscheibe im Kassetteneinschub erfolgen.

Das Glyphoscope von Jules Richard

Etwas später, um die 1920er Jahre, traten die großen deutschen Hersteller in Erscheinung. Ernemann, Goerz, Ica und Franke und Heidecke gehörten u.a. zu den großen Namen.
Ica Polyscop von 1920

Diableries

Diableries wird von den Autoren des gleichnamigen Buches mit mystisches Musical übersetzt. Ein Diablerie ist eine spezielle Stereokarte, die Szenen des irdischen Lebens in der Hölle zeigt. Die Bilder wurden ab 1860 in Serien als Tissue-Stereoviews herausgegebn und zeigen von Hennetier und Harbert modellierte Miniszenen. In dem Titel, erschienen bei der London Stereoscopic Company (www.londonstereo.com), interpretieren die Autoren May, Pellerin und Fleming zahlreiche höllische Szenen im Hause des Satans. Mit dem lenticularen Titelbild und dem ausklappbaren Stereoskop im Schuber stellt das Buch eine bibliophile Rarität für den Sammler und Stereofreund dar. Hier werden zwei Szenen als animierte GIFs gezeigt: die Lotterie im Hause des Satans in der Durchlichtbetrachtung (farbig) und ein höllische Konzert in der Tag-Betrachtung. Klicken Sie auf die Thumbnails zur animierten Ansicht.

Lotterie in der Hölle
Lotterie in der Hölle
Konzert im Hause des Satans
Konzert im Hause des Satans

Stereoview Tissues

Ab ca 1850 erschienen in Frankreich die sog. Tag und Nacht Stereokarten oder auch Gewebekarten. Die dünne und transparente Photoschicht wurde von der Rückseite her coloriert und mit einem Gewebe abgedeckt. Das Gewebe konnte mit Nadelstichen versehen sein, wodurch Lichteffekte auf das Raumbild einwirkten. Bei normaler Auflicht-Betrachtung (Tag) betrachtete man ein Schwarz-Weiss-Bild. Beleuchtete man das Bild von der Rückseite (Nacht) kam die Farbe mit den Lichteffekten zur Wirkung. Diese Art der Stereokarten war sehr empfindlich. Gut erhaltenen und komplette Serien haben daher heute ihren Preis.

Religiöse Szene durch das Holmes Stereoskop bei Auflicht betrachtet.
Religiöse Szene durch das Holmes Stereoskop bei Auflicht betrachtet.
Religiöse Szene durch das Holmes Stereoskop bei Durchlicht betrachtet.
Religiöse Szene durch das Holmes Stereoskop bei Durchlicht betrachtet.